Von Thrash-Gitarren-Riffs bis gute Pop Musik mit dem gewissen Touch an Progressive Rock - Steven Wilson & Band in Zürich
Ein nass-kalter Mittwochabend, 07.02.2018, mit gelegentlichen Schneeflocken und einer leichten Bise - da war man froh in der Halle 622 in Zürich-Oerlikon ein Dach über dem Kopf zu haben. Die 1700 Konzertbesucher brachten, nebst der Heizung, die Temperatur rasch wieder auf Wohlfühl-Grad. Im Foyer konnte man sich während der „Aufwärmphase“ mit Essen, Getränken, am Merch-Stand mit etlichen Artikeln eindecken und über das bevorstehende Konzert diskutieren. Wer ist Donna Zed? Wird Steven Wilson viel vom neuen Album spielen? Kommen auch Porcupine Tree-Songs zum Zug? Wer vertritt Gitarrist David Kilminster, der mit Roger Waters unterwegs ist? Alle Fragen waren am Konzertende beantwortet.
Kurz nach 19:00 Uhr wurde es dunkel und ein Spot zeigte auf eine hübsche, junge Dame in einem roten Blazer, ansonsten in schwarze gekleidet, mit einer schicken blonden Kurzhaarfrisur mit asiatischer Abstammung hinter einem Keyboard. Den Namen Donna Zed (aus Lausanne) kannte ich bisher nur in Zusammenhang mit Ihrer Gesangsarbeit für die griechische Progressive Metal-Band Until Rain. 2016 hat Sie mit Steven Wilson zusammengearbeitet und daher ist es nicht mehr so erstaunlich, dass Donna Zed im Vorprogramm in Zürich auftreten konnte. Neben der erstklassigen Arbeit an den Tasten fand ich Ihre facettenreiche Stimme stark. Das Ganze wurde durch Ihre ausdruckstarke Mimik abgerundet. Sie hat keine eigentliche „Rockröhre“, sondern eine Popstimme, die sehr gut zur Auswahl an Liedern an diesem Abend im Segment New Age, Pop mit Einflüssen von Soul und Jazz passte. Je länger der etwas mehr als 30 Minuten-Auftritt dauerte umso mehr war der Applaus Ihr sicher und das Publikum klatschte gar mit. Auch eine leichte Husten-Attacke steckte Sie locker weg. Mir gefiel der Song Morphine, gleichzeitig auch Titel Ihrer EP (V.Ö.: 2017), am besten. Es ist sicherlich eine Anerkennung, wenn Steven Wilson und Nick Beggs vom Headliner auf der Bühnenseite einen Teil Ihrer Show beiwohnten.
Nach einer weiteren Abba-Reprise (Wilson ist Fan der Musik des schwedischen Vierers), wie vor dem Konzert, war die Reihe an Steven Wilson & Band. Wie von Hr. Wilson gewohnt wurde ein „halbdurchlässiger Vorhang“ zwischen der Band und Ihm verwendet. Vorhang ist das falsche Wort. Es war ein sogenanntes Holonet. Für mich war es eine Premiere solch ein Teil bei einem Konzert im Einsatz zu sehen. Durch einen Laser projiziert man Bilder/Videos darauf und es wirkt wie ein 3D-Effekt. Neben der plakativen Bildeinspielung wurde das Teil immer mal wieder verwendet um z.B. Gastsängerin Ninet Tayeb bei Pariah einzublenden. Nebst dem Holonet hatte die Band weitere Features wie eine LED-Wand im Hintergrund, Follow-Me-Spot, drehbare farbwechselnde Spots auf der Bühne und (ja) eine Disco-Kugel (Spiegelkugel) auf dieser Tour. Disco-Kugel und ein neues Album? Popmusik?!? Aufgrund der Kritik an seinem aktuellen Werk to the bone (VÖ.: August 2017) war er wohl gezwungen Stellung zu beziehen. Auf witzige Art hielt er ein Plädoyer für gute Popmusik am Beispiel von Prince und machte klar, dass er Justin Bieber nicht als guten Popmusiker sieht. In den 150 Konzertminuten, aufgeteilt in zwei Teilen und einem Zugabe-Teil (Pause von 20 min der Pause zwischen Teil 1 und Teil 2 nicht dabei) spielten er seine Band 8 Lieder vom to the bone. Das nenne ich mal eine Vorstellung von neuem Liedgut. Ich finde den Grossteil des neuen Materials sehr gut und live noch ein wenig besser. Zum Song Permanating war ich zweigespalten bis ich ihn nun live hörte. Nun bleibt mir für immer in Erinnerung, dass Steven Wilson im Vorfeld um Gnade bat bei den Prince-ähnlichen Gesangs-Teilen und ich plötzlich leicht tänzelte während die Disco-Kugel rund lief und die Bühne in farbigem Licht erhellt wurde – prägend. Überhaupt war Steven Wilson sehr kommunikativ. So erfuhr man, dass seine Mutter ein Faible für Geschichten von Massenmörder hat und dass dies wohl auch auf Ihn abgefärbt hätte. Gleich danach spielten er und Bassist Nick Beggs, Craig Blundell am Schlagzeug, Keyboarder Adam Holzmann und Gitarrist Alex Hutchings (würdiger Ersatz für David Kilminster) People Who Eat Darkness.
Wilson sprach zu Beginn davon älteres Material aus seiner Vergangenheit mit der Progressive Rock-Band Porcupine Tree zu spielen. Oft waren dies die Stücke Lazarus und Sleep Together, die an diesem Abend auch Ihren Einsatz fanden, aber mit Arriving Somewhere but not Here und speziell Even Less hätte ich vor der Tour nicht gerechnet. Letzterer war ein Solo von Wilson – nur der Master himself mit seiner Gitarre – Spot auf Ihn und der Rest der Bühne in schwarz. Mit seinem Wirbeln und headbanging erinnerte er mich an Grunge Rocker in den Neunziger. Ab und an fand ich die Band gab aufgrund der Kritik zum neusten Album die Lieder in einer speziellen Rockversion ab. So hätte das Gitarrenintermezzo bei Arriving Somewhere but not Here von einer Thrash Metal-Band sein können.
Es war ein sehr gutes Konzert mit einer abwechslungsreichen, grossartigen Liedabfolge und toller audiovisueller Unterstützung. Mit 150 Minuten reiner Musik bekam man was fürs Geld. Einziger Minuspunkt war die Lautstärke. Gegen Ende drehte man hörbar nochmals auf und war knapp am noch Erlaubten.
Wer Steven Wilson in diesem Jahr nochmals sehen/hören möchte, der sollte sich am Mittwoch, 04. Juli 2018, zur Konzertfabrik Z7 nach Pratteln bewegen.
Setliste Steven Wilson (Halle 622, Zürich Oerlikon):
Set 1: Nowhere Now, Pariah, Home Invasion, Regret #9, The Creator Has a Mastertape (Porcupine Tree), Refuge, People Who Eat Darkness, Ancestral
Set 2: Arriving Somewhere but Not Here (Porcupine Tree), Permanating, Song of I, Lazarus (Porcupine Tree), Detonation, The Same Asylum as Before, Heartattack in a Layby (Porcupine Tree), Vermillioncore, Sleep Together (Porcupine Tree)
Bonus: Even Less (Porcupine Tree song) (Steven Wilson solo), Harmony Korine, The Raven That Refused to Sing
Veranstalter: Good News und gadget
Photos/Text: Daniel Strub